Professionelle Begleitung - von der Geschäftsmodellentwicklung bis zur „Investor Readiness“.
Das verspricht das Programm des Medical Innovations Incubators (MII) namens „4C Accelerator Tübingen. Die B. Braun-Stiftung sprach mit Ingo Hämmerle über die Besonderheiten des Medizinproduktemarktes und die Stärken des Programmes.
Professionelle Begleitung - von der Geschäftsmodellentwicklung bis zur „Investor Readiness“. Das verspricht das Programm des Medical Innovations Incubators (MII) namens „4C Accelerator Tübingen“. Ziel ist es, Start-ups im medizinischen Life-Science und Gesundheitsbereich die notwendige Expertise zu vermitteln, die notwendig ist, um das Produkt bzw. die Idee zur Marktreife zu bringen. Expert:innen vermitteln in 17 Terminen die speziellen Anforderungen der Branche - die sogenannten 4Cs: Commercialization, Certification, Clinical Studies und Copyright. Die B. Braun-Stiftung spricht mit Ingo Hämmerle, Geschäftsführer der Tübinger Firma Medical Innovations Incubator GmbH. Der Wirtschaftsingenieur hat das Startup Empident mit seinem Geschäftsführer Alexander Knoch mitgebracht. Das Start-up hat an dem Programm bereits teilgenommen.
Ingo, was ist das Besondere an dem 4C Accelerator?
Der 4C Accelerator bietet ein einzigartiges Ausbildungs- und Betreuungskonzept für Startups in einer der komplexesten Branchen – den medizinischen Life Sciences – und trägt so dazu bei, dass Innovationen in die Anwendung kommen und schlussendlich den Patient:innen dienen. Dabei schaffen wir gleichzeitig Arbeitsplätze für hochqualifizierte Berufe, was wiederum der Standortattraktivität und -sicherheit zugute kommt.
Warum sind die 4C so wichtig?
Die Medical Innovations Incubator GmbH ist seit 2015 als Startup-fördernde Institution mit der Schwerpunktbranche medizinische Life Sciences tätig. Über die Jahre haben wir gelernt, dass gängige Ansätze zur Förderung und Ausbildung von Startups auch in dieser Branche eine wichtige Rolle spielen, aber bei weitem nicht ausreichen. Die daraus resultierenden Fragestellungen haben wir wissenschaftlich analysiert und sind zu der eindeutigen Erkenntnis gelangt, dass vier Themenfelder in den Fokus gerückt werden müssen. Denn nur so kann die Erfolgswahrscheinlichkeit von innovativen Teams in dieser Branche erhöht werden. Die 4C waren geboren.
Aus welchen Modulen besteht der Accelerator?
Der Accelerator besteht aus einem Ausbildungsprogramm, welchem ein strukturiertes Curriculum hinterlegt ist. Dabei geben sowohl unsere internen als auch extern engagierte Expert:innen ihre Fachexpertise in interaktiven Workshops an die Startups weiter. Das umfasst insgesamt 17 Termine. Wichtig ist für uns, dass praktische Übungen mit klarem Feedback zu den Übungsergebnisse viel Raum bekommen.
Im Anschluss an dieses eher schulische Format wird jedes Startup über ein Jahr hinweg individuell von uns weiter betreut. Dazu weißen wir jedem Team einen passenden MII-Startup-Coach zu, welcher im 4-Wochen-Rhythmus die Überführung der Lerninhalte in die Projektierung betreut und vorantreibt. In dieser Phase werden aber auch andere Hürden jenseits der 4C gemeinsam bewältigt und Erfolge gefeiert.
Neben diesen kostenlosen Angeboten, die deshalb kostenlos sein können, da sich hier die B. Braun-Stiftung zusammen mit der Stiftung für Medizininnovationen und dem Land Baden-Württemberg finanziell engagiert – dafür auch nochmal im Namen der bisher ausgebildeten und betreuten Startups ein herzliches Dankeschön –, haben wir auf Startups ideal zugeschnittene Services in allen 4Cs sowie zur Unterstützung beim Fundraising. Wir helfen mit Dokumenten, Workshops und Knowhow weiter, wenn es bspw. um den Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems geht, eine klinische Studie umgesetzt werden muss oder eine Finanzierung gesucht wird..
Ingo, wie wichtig ist das Coaching über die gesamte Programmlaufzeit?
Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass das Coaching eine Schlüsselkomponente ist. Bspw. passiertes häufiger als man glaubt, dass sich frühphasige Startups personell nochmal neu aufstellen, sobald es ernster wird und Rollen, Rechte und Pflichten definiert werden müssen. Wenn aus dem also aus „Hobby“ ein Beruf wird, gibt es häufig kritische Findungsphasen. Das können wir sehr gut begleiten und durch Moderation bei der raschen Auflösung von Problemen und Konflikten helfen. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass wir die Teams extrem gut kennenlernen, wodurch wir unseren Plattform-Gedanken noch besser umsetzen und bei Bedarf andere Expert:innen mit hinzuziehen bzw. Vermittlungen zu etablierten Firmen gestalten können.
Wie hoch ist der Bedarf an derartigen Programmen?
Der Bedarf scheint hoch zu sein, denn die Bewerbungszahlen übersteigen bei weitem unsere Planung. Auf 16 Plätze pro Jahr kommen etwa 120 Bewerbungen. Ein Startup mit Sitz in den USA und in Deutschland meinte, sie hätten international nach Accelerator-Progammen gesucht, aber kein vergleichbares Programm gefunden. Wir freuen uns über solche Rückmeldungen natürlich sehr. Das ermutigt uns den im Jahr 2020 eingeschlagenen Weg in die Spezialisierung weiterzugehen.
Stichwort Lernkurve: Hat sich der Seminaraufbau verändert?
Der Accelerator verändert sich ständig. Zwar nicht in den Grundzügen des Curriculums, aber im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung. Dazu holen wir Feedback der Teilnehmenden ein, reflektieren dieses in einem wöchentlichen Regeltermin und leiten daraus Optimierungsmaßnahmen ab. Bspw. haben wir Anfang des Jahres viele GxP-Themen neu aufgesetzt und inhaltlich realisiert. Auch laden wir inzwischen Investor:innen zur Auftaktveranstaltung ein, die ihre Sicht auf die 4Cs erläutern und den Teams direktes Feedback zu deren Status geben. Vermutlich wären die Teams des ersten Durchlaufs sehr überrascht, was alles so neu dazugekommen ist.
Wie würden Sie die Start-ups/Unternehmer, die an dem Programm teilnehmen, grundsätzlich beschreiben und wie ist die „Erfolgsquote“?
Alle Teilnehmenden sind unglaublich „committed“ und saugen die Themen förmlich auf. Wir sind sehr stolz, dass alle so am Ball bleiben und die Zeit – es ist ja doch auch ein enormer Aufwand – investieren. Da das 4C-Konzept erst seit knapp 2 Jahren umgesetzt wird, was im Life Science Bereich keine nennenswerte Zeitspanne darstellt, lässt sich zur Erfolgsquote aktuell noch nicht viel sagen, Um in Zukunft transparente Auskunft über den Stand der von uns betreuten Startups geben zu können erheben wir gerade erste Kennzahlen. Was wir aber schon jetzt sagen können: Die bisherige Überlebensrate ist überdurchschnittlich hoch und auch der Erfolg im Fundraising kann sich durchaus sehen lassen.
Gibt es weitere Pläne?
Oh ja! Wir wollen den Rückenwind und den Erfolg der letzten Jahre weiter nutzen und die zentrale Plattform für Startups und für alle weiteren Stakeholder, die sich für medizinische Innovationen interessieren, werden. Dafür gibt es konkrete Pläne und wir arbeiten mit einem kontinuierlich wachsenden Team an deren Realisierung.
Zur Person:
Ingo Hämmerle ist Geschäftsführer des MII und der Incubator Invest GmbH. Als Wirtschaftsingenieur hatte er zuvor verschiedene Management-Positionen inne, u.a. in der In-vitro-Diagnostikbranche. Zusammen mit seinem Team hat er das 4C-Konzept entwickelt und ist ein Pionier im Regulatory Thinking®. Ingo ist aktives Mitglied der wichtigsten Netzwerke der Medical Life Science Branche, um seine Mission zu verfolgen: den Weg für Innovationen zu ebnen, um Patient:innen zu erreichen.
Kontakt: haemmerle@mi-incubator.com
Vier Fragen an Alexander Knoche. Er hat mit dem Start-up Empident (Empident – Your Dental Coach) hat an dem letzten B. Braun Accelerator 4 C teilgenommen.
Wie sind Sie auf das Programm aufmerksam geworden?
Wir haben etwas Ähnliches gesucht. Das Programm hat uns von Impediment zugesagt, aufgrund der starken Fokussierung auf Medizintechnik - was durchaus ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal ist.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihrem Start-up Empident in dem Programm und danach gemacht?
Das wichtigste Learning ist, dass der Markt für medizinische Produkte wirklich anders funktioniert, als ein herkömmlicher Markt (der Unterschied wurde ja durch die 4Cs dargestellt). Das heißt insbesondere auch, dass die typische Startupliteratur aufgrund dieser Besonderheiten nicht vollumfänglich anwendbar ist. Außerdem muss man sehr interdisziplinär arbeiten, um die langen Marktzugangszeiten überbrücken zu können.
Was hat Ihnen besonders gefallen, Alexander?
Es wurde großen Wert darauf gelegt, die Startups zu befähigen und individuell auf Ihre Eigenheiten einzugehen und nicht nur allgemeine “Vorlesungsblöcke”. Das ist natürlich viel Wert, da man als Medizin-Start-up auch nach dem Programm noch Entscheidungen treffen muss und man die Regulatorik nicht los wird. :-)
Letzte Frage: Was würden Sie sich von den Initiatoren wünschen?
Manchmal etwas mehr Zeit, die gestellten Aufgaben ordentlich zu erledigen. Eventuell kurze, individuelle Coaching Sessions, um Fragen nachträglich zu bearbeiten, da jedes Start-up andere Schwerpunkte benötigt. Aber im ganzen war es prima. Wir haben gelernt, weniger Respekt vor der Regulatorik zu haben und eher den Wettbewerbsvorteil darin zu sehen, wenn man alles gut beherrscht. Was auch klar ist, wenn man erfolgreich sein will - muss man möglichst früh (auch wenn nur zwischenzeitlich) für einen exakten Intended Use entscheiden, um die Regulatorik besser handhaben zu können. Es braucht auch ein starkes interdisziplinäres Kernteam und Top Berater, deren Expertise man blind vertrauen kann, um seine Entscheidungen zu treffen. Und Investoren mit einem langen Atem. Und Glück natürlich.