Forschen für mehr Arzneimitteltherapiesicherheit: Patientensicherheit im Fokus

Forschen für mehr Arzneimitteltherapiesicherheit: Patientensicherheit im Fokus

Für das Thema "Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus" haben wir in 2021 Extrafördergelder ausgeschrieben. Auf der Kuratoriumssitzung der B. Braun-Stiftung im Juli hatten die Wissenschaflter*innen Gelegenheit, ihre Projekte vorzustellen und sich mit den Kuratoriumsmitgliedern auszutauschen.

Auf der Kuratoriumssitzung am 1. Juli in Kassel haben die Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Universitätskliniken ihre Projekte vorgestellt. Sie haben in 2021 für ihre klinischen Forschungsarbeiten im Bereich "Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus" Fördergelder erhalten. Insgesamt schüttet die B. Braun-Stiftung mit dieser Sonderausschreibung bis zu 50.000 Euro Fördersumme pro Projekt aus. Die Projekte sollen interprofessionell aufgestellt sein.

„Interdisziplinäre Entwicklung eines systematischen Monitoring Programms zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in einer pädiatrischen Klinik“
Dr. Verena Gotta, Universitäts-Kinderspital beider Basel, UKBB

Verordnungsfehler gehören in einer Kinderklinik zu den häufigsten Medikationsfehlern. Das UKBB rechnet mit einer Quote von 30%. Zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit wird  eine elektronische Arzneimittelverordnung (eMedikation) empfohlen. Das UKBB hat dies mit der Einführung eines neuen Klinikinformationssystems (KIS) geplant. Die Einführung wird wissenschaftlich begleitet . Es werden Verordnungen und Visiten vor KIS-Einführung, im KIS-Testsystem und nach KIS-Einführung evaluiert mit dem Ziel, ein zielgerichtetes, kontinuierliches Monitorings- und Verbesserungsprogramm zur Arzneimittelsicherheit zu erstellen.

Dies soll helfen, Verordnungsfehler und unerwünschte Arzneimittelereignisse spitalintern zu minimieren, die Effizienz der Verordnung zu fördern, und allgemeine Empfehlungen auch für andere Kinderspitäler zu formulieren.

„AMINAS – ein interprofessionelles Projekt zur Arzneimittelanamnese In der Notaufnahmestation“ Dr. Dorothea Strobach, LMU München

Die Arzneimittelanamnese bei stationärer Aufnahme ist ein kritischer Schritt der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS), der zu Verordnungsfehlern im Krankenhaus und nicht optimalen Therapieentscheidungen führt. AMINAS ist ein interprofessionelles Projekt zur  Arzneimittelanamnese  in der  Notaufnahmestation, das die AMTS auf der Notaufnahmestation verbessern soll. In der interdisziplinäre Notaufnahme an der LMU München ist kein Arzt fest eingesetzt. Als Maßnahmen für die Arzneimittelanamnese wird ein Apotheker (50%) eingesetzt und spezifische unterstützende Hilfsmittel für Pflege und Ärzte der Notaufnahmestation etabliert.

Im einjährigen Projektzeitraum ist ein Apotheker auf Station präsent, der die Arzneimittelanamnese der aufgenommenen Patienten durchführt, prüft und ergänzt und die arzneimittelbezogenen Probleme (z.B. Interaktionen, Applikationshinweise) an Ärzt*innen und Pflege kommuniziert. Wissenschaftliches Ziel ist, das Ausmaß einer im Alltag evtl. bestehenden unzureichenden Arzneimittelanamnese zu identifizieren. Im März 2022 wurde retrospektiv evaluiert, welche Therapieentscheidungen bei vollständiger Arzneimittelanamnese anders getroffen worden wären. Die retrospektive Auswertung zeigte Entwicklungsbedarf.

Das Projekt läuft bis 2023 und ist erfolgreich gestartet. Ziel ist, Standardanweisungen für die Pflege zu schaffen. Auswirkungen auf die AMTS sind kurzfristig für den einzelnen Patienten durch eine vollständigere Arzneimittelanamnese und stationäre Umsetzung der Vormedikation und langfristig durch die Definition und Erarbeitung von Maßnahmen für kritische Patientengruppen bzw. Arzneimittelgruppen zu erwarten.                                          

Implementierung PERsonalisierter MEdizin zur Verbesserung der ArzneimitTEltherapiesicherheit älterer Menschen unter Polytherapie mit Arzneimitteln (PERMEATE-AMTS)
Dr. Katja Just, RWTH Aachen


Besonders ältere Menschen mit Polypharmazie haben ein erhöhtes Risiko,  unerwünschte Arzneimittelreaktionen (UAW) zu erleiden. Daher wird eine multiprofessionelle  Versorgung und pharmakogenetische Diagnostik benötigt, um die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) älterer Menschen zu verbessern. In der Aachener Notaufnahme ist die Anzahl Spontanmeldung bei älteren Menschen angestiegen; 6,5 % der in der Notaufnahme gemeldeten Nebenwirkungen sind auf Polypharmazie zurückzuführen. Bei älteren Menschen sind z. B. Stürze und Blutungen oft verbunden mit Medikamenten, auch durch Nebenwirkungen von Psychopharmaka. 80- 90 % der Nebenwirkungen sind dosisabhängig.

Zur Evaluation wurden 140 geriatrische Patien*:innen unter Antidepressiva- oder Antipsychotika-Therapie charakterisiert und hinsichtlich typischer UAW wie Stürze und Elektrolytstörungen nachverfolgt. Hierdurch soll das individuelle Arzneistoffmetabolismus-assoziierte UAW-Risiko älterer Menschen reduziert und die pharmakogenetische Diagnostik für die Regelversorgung nutzbar werden. Ziel dieses Projekts ist die Etablierung pharmakogenetischer Diagnostik und multiprofessioneller Fallkonferenzen. Hierfür wird interdisziplinär von Klinischer Pharmazie, Geriatrie und Klinischer Pharmakologie eine pharmakogenetische Diagnostik, eine standardisierte Arzneimittelanamnese und ein auf AMTS-relevante Themen zugeschnittenes geriatrisches Assessment in die altersmedizinische Versorgung implementiert.

Bereits durchgeführt werden interprofessionelle Fallkonferenzen. Auch die Hochschulambulanz hat Anfang des Jahres eröffnet. Sie dient als Hilfestellung (Beurteilung und Bewertung) für niedergelassene Kolleg*innen. Ziel ist wissenschaftlich die Risikoprofile zu eruieren.

Entwicklung eines Benchmarks zur Herstellung der Vergleichbarkeit von Aufbereitungseinrichtungen für Medizinprodukte in Deutschland
Dr. Armin Janß, Wiss Mitarbeiter lst Medizintechnik, RWTH Aachen

Das Pilot-Benchmark zur Vergleichbarkeit von Aufbereitungseinrichtugnen für Medizinprodukte wird von der RWTH zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Sterilgutversorgung (DGSV) entwickelt.

Die Prozesse der Aufbereitungseinrichtung von Medizinprodukten (AEMP) sind entscheidend für die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung und die Vermeidung nosokomialer Infektionen. Vor dem Hintergrund zukünftiger Herausforderungen (Fachkräftemangel, Ressourcenknappheit, u. ä.) ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Prozesse erforderlich. Eine Untersuchung zeigt eine große Varianz in den AEMP-Einheiten. Die AEMP wissen gar nicht, wo sie sich verbessern können, weil die Vergleichbarkeit fehlt. Human Factors werden kaum berücksichtigt. Es gibt keine Ausbildung für AEMP-MA (Fachkraft für Medizinprodukteaufbereitung).

Ziel des Projektes ist die Erarbeitung eines AEMP-Benchmark-Tools unter Berücksichtigung der Bedarfe aller Stakeholder (AEMPs, DGSV, Behörden, Betreiber (u.a. Einkauf, operierendes Personal, OP Management)). Basierend darauf entsteht durch die Evaluierung individueller AEMP-Prozesse, eine Wissensdatenbank (Lernen von leistungsfähigen Prozessen, Austausch über Ansätze, problematische Instrumente und Geräte, u.v.m.). Dies ermöglicht Behörden auf Prozessabweichungen oder Trends zu reagieren, sowie Anreize zu gewünschten Entwicklungen (z.B. ressourcenschonende Arbeitsweise) zu schaffen.