“Ein halbes Jahr voller spannender Erfahrungen und ein Abenteuer“
Es ist Halbzeit. Seit sechs Monaten befindet sich Dr. rer. oec. Cornelia Henschke in Amerika für ein Harkness Fellowship in Health Care Policy and Practice an der Duke University in Durham, North Carolina.
Gefördert wird das Programm von der B. Braun-Stiftung und dem Commonwealth Fund. Im Rahmen ihres Harkness Fellowship Forschungsprojektes untersucht die stellvertretende Leiterin des gesundheitsökonomischen Zentrums der TU Berlin Instrumente und Maßnahmen zur Bewertung und Finanzierung von Innovationen der Medizintechnik. Diese bestimmen im Wesentlichen den Zugang neuer Technologien zum Gesundheitssystem sowie die Verfügbarkeit für Patienten und Ärzte. Wie lebt und forscht ein Harkness Fellow in den USA? Dr. Cornelia Henschke im Interview.
Wie war Ihr Start an der renommierten Duke University?
Angekommen an der Duke University am Duke-Robert J. Margolis, MD, Center for Health Policy gab es natürlich erst einmal einige organisatorische Dinge zu erledigen (PC, Software, E-Mail-Adresse etc.). Ich hatte in dieser Zeit bereits die Chance das Team kennenzulernen und konnte schnell Kontakte knüpfen. Mein erster Eindruck war sehr positiv, trotzdem Fachgebiete an privaten Universitäten sich sehr vom deutschen Pendant unterscheiden sowohl die internen Arbeitsweisen und Strukturen als auch die externe Kommunikation und Darstellung. Dies reicht von der Finanzierung der Mitarbeiter und Professoren, über die Einbindung von Adivisory Boards in Fachgebieten, bis hin zu einer stark ausgeprägten Meetingkultur. Mein Fachbereich hat zudem einen Sitz in Washington D.C., um nah an der Politik dran zu sein. Die Teilnahme an Forschungsseminaren, in die alle Ressorts mit Gesundheitsbezug eingebunden sind, ist ein Mittel, um die Zusammenarbeit zwischen den Fachgebieten zu stärken und sich auszutauschen. Dies eröffnet auch mir die Chance sehr tiefgreifend in Themen einzusteigen, die nicht direkt meine eigenen Forschungsaktivitäten betreffen, sowie mein Netzwerk zu erweitern. Inhaltlich passt das Margolis Center for Health Policy sehr gut zu meiner Thematik, da einer der Schwerpunkte auf der Verbesserung gesundheitspolitischer Maßnahmen durch evidenzbasierte Ansätze liegt. Wenn ich meine alltägliche Arbeit hier betrachte, so unterscheidet sich diese in einigen Aspekten von meiner Arbeit am FG Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin. Das Stipendium gibt mir die Chance mich ein Jahr lang intensiv mit meiner Forschungsthematik in einem komplett anderen Gesundheitssystem zu beschäftigen. Als sehr angenehm empfinde ich die fachliche Mischung meiner Mentoren, die von klinischen über wirtschaftswissenschaftliche und politische Erfahrungen reicht.
Wie ist der Stand der Forschungen? Können Sie noch einmal kurz erläutern, was Sie untersuchen und welchen Impact das für das deutsche Gesundheitssystem haben kann?
Meine Forschungsarbeit hier fokussiert auf die Thematik (1) wie innovative Technologien, die teurer sind als bisher genutzte Standardtechnologien, finanziert werden, (2) nach welchen Kriterien Ärzte entscheiden, ob eine neue Technologie im stationären Sektor Anwendung findet und (3) wie “real world evidence” im Rahmen der Evaluation von Medizinprodukten genutzt werden kann.
Im ersten Quartal meiner Forschungszeit hatte ich die Chance mit meiner Mentorin Rita Redberg von der University of California in San Francisco zusätzlich einen Health Affairs Blog zu der Thematik ‚Gründe für höhere Medizinproduktepreise in den USA im Vergleich zu Europa´ zu verfassen. Dies zeigt, dass die Thematik der Finanzierung von Medizinprodukten, neben dem Bereich der Arzneimittel, auch zukünftig von hohem gesundheitspolitischen Interesse sein wird, da es gilt eine Balance zwischen Erstattungsfähigkeit und -preis, Nutzen einer Technologie und zeitlich adäquatem Zugang zu einer Technologie zu finden.
Nach einer relativ langen Wartezeit bis zur Genehmigung meiner Studie durch die Ethikkommission konnte ich im Februar mit den Interviews für meinen qualitativen Forschungsteil starten. Auch Unterschiede zwischen dem deutschen Finanzierungssystem für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und dem amerikanischen in den “New Technology Add-on Payments” konnte ich bereits herausarbeiten und anhand öffentlich verfügbarer Daten analysieren. Ein wesentliches weiteres Ziel ist der Datenzugang zu Sekundärdaten einer großen Krankenversicherung.
Hinsichtlich des Impacts für das deutsche Gesundheitssystem möchte ich im Besonderen herausarbeiten, ob die in den USA untersuchten Ansätze für die Finanzierung von Medizinprodukten Elemente in ihren Anreizstrukturen enthalten, die ggf. von Interesse für die Finanzierung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in Deutschland sind. Dies gilt aber auch in umgekehrter Richtung: Bieten Elemente des deutschen Systems Vorteile für die Ausgestaltung des der ‚New Technology Add-on Payments‘? Auch die Gründung des National Evaluation System for Health Technology (NEST), welches darauf abzielt zu zeigen, wie aus unterschiedlichen Datenquellen (Sekundärdaten, Register, klinische Studien etc.) Medizinprodukte über Phasen des Lebenszyklus hinweg zu evaluiert werden können, ist ein Ansatz, der auch für Europa zunehmend eine Rolle spielen dürfte.
Was beeindruckt bzw. überrascht Sie während Ihres Aufenthalts am meisten?
Mittlerweile kann ich die überaus positive Bewertung des Harkness Fellowships durch die Fellows nachvollziehen. Ich konnte bereits in meinem ersten halben Jahr enorm an Wissen und Inhalten hinzulernen sowie viele neue interessante Kontakte knüpfen. Mir fällt besonders auf, dass man einzelne Aspekte oft in einen größeren Kontext einordnet. Um die Finanzierung von Medizinprodukten im Detail zu durchdringen, ist ein detailliertes Systemverständnis für das gesamte Gesundheitssystem erforderlich. Ein Aspekt, der auch bei uns am Fachgebiet Management im Gesundheitswesen in Berlin immer eine wesentliche Rolle spielte, der aber durch einen Aufenthalt in den USA, noch mehr bei mir gestärkt wurde. Unsere internationale Gruppe von Harkness Fellows aus sechs Ländern ermöglicht es zudem, sich intensiv über einzelne Aspekte anderer Gesundheitssysteme auszutauschen. Unsere eigens implementierten monatlichen Videokonferenzen enthalten neben dem Projektaustausch auch jeweils ein Thema des Gesundheitswesens über die einer der Fellows referiert. Hinzu kommen die wirklich großartig – und nicht nur gesundheitsspezifisch – organisierten Veranstaltungen des Commonwealth Funds. Hierzu gehören (fachliche) Seminare, Fortbildungen, aber auch die Teilnahme an Symposien und Kongressen. Das Stipendium hilft mir, mich fachlich auf internationaler Ebene weiterzuentwickeln. Dadurch ist es mir möglich, mit vielen neuen Projektideen nach Deutschland zurückzukehren und an deren Umsetzung zu arbeiten, denn letztendlich gibt es in Gesundheitssystemen unabhängig von ihrer Ausgestaltung doch ähnliche Probleme [z.B. Qualität der Leistungserbringung (Produkte und Service), Kosten und Finanzierung], natürlich in unterschiedlichem Ausmaß. Da aber die Lösungsansätze je nach Ausgestaltung des Gesundheitssystems in Teilen differieren, lohnt sich immer ein Blick über die eigenen Landesgrenzen hinweg.
Und privat – wie lebt es sich in North Carolina?
Aber auch privat ist ein Aufenthalt in den USA natürlich ein großer Schritt. Schulen und Kindergärten in unserer Region arbeiten komplett anders im Vergleich zu Deutschland. Die Nutzung digitaler Medien spielt eine viel größere Rolle. Das gilt auch für den Einbezug der Eltern. Das Bildungssystem ist im Vergleich zu vielen anderen Regionen in den USA sehr gut. Ich bin erstaunt und sehr froh darüber, wie schnell Kinder in den Einrichtungen integriert sind. Nachdem unser Jüngster fünf Monate versucht hat, den Kindern in der Kita Deutsch beizubringen (teilweise auch mit Erfolg), klappt jetzt die Kommunikation in englischer Sprache sehr gut. Interessant ist auch die College Basketballsaison, die der NBA Saison in nichts nachsteht (auch nicht in den Preisen). Wir leben in der Stadt Chapel Hill, einer Stadt im sogenannten „Research Triangle of North Carolina“. Grund für die Bezeichnung ist u.a. die Vielzahl an Universitäten sowie die Ansiedlung der vielen Technologiefirmen in dem Städtedreieck Raleigh–Durham–Chapel Hill. Genau richtig für einen Forschungsaufenthalt! Zusammenfassend ist die Zeit hier tatsächlich beruflich und privat eine der größten Erfahrungen meines Lebens. Ich bin froh und dankbar, diese Chance bekommen zu haben und freue mich auf die kommenden Monate und die Präsentation meiner Ergebnisse!
Die Gesundheitsökonomin Dr. rer. oec. Cornelia Henschke wird nach dem Fellowship nach Berlin zurückkehren. Dort leitet sie am Fachgebiet Management im Gesundheitswesen der Technischen Universität Berlin eine Nachwuchsgruppe, die sich mit der Evaluation politischer Maßnahmen im Bereich der Medizinprodukte beschäftigt. Ihr Forschungsprojekt im Rahmen des “Harkness Fellowship in Health Care Policy and Practice” lautet: “Financing (new) Technologies: Balancing Access, Safety, Quality and Expenditures in Health Care Systems.”